1 1. August 2001, 00:00 Uhr
Als Sohn eines in Russland geborenen jüdischen Klempners wurde er wohlhabend, berühmt und erspielte sich den Zutritt zu den Studios von Hollywood
Es war der feierliche Ernst, mit dem er seine Kunst zum Besten gab. Wenn Larry Adler auftrat, klein und schmal, die Haare streng zurückgekämmt, und in das Ding in seinen Händen blies, dann staunte seine Hörerschaft und dachte sich: Sieh an, sieh an, die Mundharmonika! Denn Larry Adler blies darauf Barockes von Vivaldi oder Bach. Er spielte Albeniz und Gershwin, und Cole Porter spielte Adler auch. Er sagte Mundorgel statt Mundharmonika. "Maestro of the mouth organ", den Titel mochte Larry Adler sehr .
Die Mundharmonika, erfunden 1821 von dem Deutschen Friedrich Buschmann mit den Namen Aura oder Äoline, galt, bis Adler kam, als kindgerecht und volkstümlich. Selbst Blues fand keine Gnade vor des Meisters Ohr: "Im Blues klingt die Harmonika doch immer gleich. Außer Bob Dylan, der klingt wirklich schlimm. Wenn ich Diktator wäre, meine erste Amtshandlung bestünde darin, Dylan das Blasen zu verbieten. Die Mundharmonika im Blues ist billig, meine Mundorgel kostet 3500 Pfund!" Der Star der Mundharmonika verkörperte den Traum Amerikas. Als Sohn eines in Russland geborenen jüdischen Klempners wurde er wohlhabend, berühmt, erspielte sich den Zutritt zu den Studios von Hollywood und zu den Weihehallen des Kulturbetriebs.
Zunächst gewann er einen von der deutschen Firma Hohner unterstützten Wettstreit auf der Mundharmonika. Dann ging er nach New York und musizierte auf der Straße. Bis die Produzenten ihn entdeckten, denen Larry Adler täglich auf die Nerven fiel. Als Typ, der Beethoven konnte statt immer nur "Home on the Range". So stand Larry Adler vor Orchestern, riss seine Augen weit auf, und die Finger umtanzten das silberne Kästchen vor seinem Mund. Darius Milhaud schrieb für ihn seine "Suite Anglais ", Vaughan Williams eine "Romance for Harmonica and Orchestra".
Wen Adler traf, den bedachte er reich mit Geschichten und berühmten Namen. Wie Gershwin ihm nach einem spontanen Duett der "Rhapsody in Blue" eröffnet habe, Adler ließe dieses Stück klingen, als sei es für ihn gemacht. Wie er als 80-Jähriger mit einem Gershwin-Tribut eine goldene Schallplatte und damit einen Eintrag ins "Guinness-Buch" errungen habe. Wie Ravel testamentarisch verfügte, dass Adler seinen "Bolero" umsonst spielen dürfe. Von seinen Freunden Fred Astaire oder Al Capone. Vom Tennisspielen mit Charlie Chaplin und Dalí, und wie er mit Ingrid Bergman was hatte.
Denn mit der Bergman war Adler im Krieg unterwegs an der Front, um die Jungs bei Laune zu halten. In Berlin spielte Larry Adler 1945 auf dem Balkon von Hitlers zerstörter Reichskanzlei "Battle Hymn of the Republic". Vier Jahre später verdächtigte ihn der Ausschuss des Senators McCarthy unamerikanischer Umtriebe. Er sympathisiere mit linken Gedanken. Nach Filmen wie "Music for Millions" oder "Swinging Marine" ließ ihn Hollywood fallen. Adler ließ sich in London nieder, spielte in aller Welt, auch 1967 für die Soldaten Israels, schrieb Restaurantkritiken und ein Buch über sein Leben. Im Mai gab Larry Adler sein letztes Konzert, im Sitzen, weil die Arthritis ihn plagte, für Prinz Philip, den Gatten der britischen Königin. Sehr fern von Amerika.
Michael Pilz
Lawrence Cecil Adler wurde am 10. Februar 1914 in Baltimore, Maryland geboren. Er starb 87-jährig am 7. August in London an einer Lungenentzündung.